Neue Lösungsansätze im Gesundheitswesen Chancen für Physiotherapie Logopädie und interdisziplinäre ambulante Versorgung





Neue Impulse im Koalitionsvertrag: Was sich im Gesundheitswesen ändert

Ein umfangreicher Koalitionsvertrag sorgt für frischen Wind im Gesundheits- und Pflegebereich. Die geplanten Reformen setzen auf eine moderne, sektorenübergreifende Versorgung und sollen dabei auch für Therapeutinnen und Therapeuten – ob in der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie – Vorteile bringen. Ziel ist eine Balance zwischen besserem Zugang zu medizinischen Leistungen, fairen Vergütungsmodellen und einer stabilen Beitragsfinanzierung. Eine wesentliche Rolle spielt die ambulante Versorgung, die stärker ausgebaut werden soll. Therapiepraxen stehen damit ebenfalls im Fokus, denn im Sinne einer ganzheitlichen Patientenbetreuung sollen auch nichtärztliche Heilberufe intensiver in die Versorgungsstrukturen eingebunden werden.

Ambulante Versorgung: Primärarztsystem und digitale Optionen

Ein zentrales Element der Reform liegt in der ambulanten Versorgung. Konkret ist geplant, durch ein verbindliches Primärarztsystem mit freier Arztwahl eine bessere Steuerung zu ermöglichen. Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte sollen verstärkt als erste Anlaufstelle dienen, um Patientinnen und Patienten den Weg zu geeigneten Fachärzten zu ebnen. Von diesem Prinzip könnten alle medizinischen Fachbereiche profitieren, wenn Hausarztpraxen als Koordinatoren fungieren. Betroffen sind somit auch Therapeutinnen und Therapeuten, etwa in der Physiotherapie oder Logopädie, die im Zuge interdisziplinärer Teams schon frühzeitig in die Patientenversorgung eingebunden werden.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sollen dabei mit ihrer bekannten Rufnummer 116117 eine stärkere Lotsenfunktion übernehmen. Vorgesehen ist, dass dort ergänzend eine digitale Ersteinschätzung erfolgt. Auf diese Weise können Wartezeiten reduziert werden – ein Vorteil auch für Praxen, die auf schnelle und zielgerichtete Zuweisungen angewiesen sind, um den Therapieprozess zügig zu starten.

Eine weitere Idee: Gelingt es der KV nicht, einen passenden Facharzttermin zu vermitteln, können Patientinnen und Patienten sich unter bestimmten Voraussetzungen ambulant ins Krankenhaus wenden. Dies könnte in Regionen, in denen Facharzttermine Mangelware sind, kurzfristig Abhilfe schaffen. Allerdings haben bereits einige Expertinnen und Experten Zweifel geäußert, ob Kliniken eine zusätzliche Welle an ambulanten Fällen auffangen können. Zudem stellt sich die Frage, welche Rolle Therapiepraxen in diesem Kontext einnehmen werden, wenn neue, flexible Zugangswege geschaffen werden.

Vergütung: Neue Anreize für Bedarfsgerechtigkeit

Auch im Honorarsystem stehen Veränderungen an. Nach den Plänen sollen die Anzahl nicht bedarfsgerechter Kontakte reduziert werden. Als Instrument sind Jahrespauschalen und die Flexibilisierung quartalsbezogener Abrechnungsmodalitäten angedacht, sodass Patientinnen und Patienten möglicherweise seltener gezwungen sind, mehrere Termine im Quartal „abzuarbeiten“. Denkbar wären etwa Vergütungsmodelle, die sich an der tatsächlichen Notwendigkeit orientieren und so auch bei Therapeutinnen und Therapeuten helfen, Ressourcen effektiver zu nutzen.

Weiterbildungsstellen sollen ausgebaut werden, etwa in der Allgemeinen Medizin oder auch bei Kinder- und Jugendärzten. Ob sich hier Chancen für Praxen in der Physiotherapie und Logopädie eröffnen, hängt noch davon ab, wie eng diese Fachbereiche in das angedachte System zur sektorenübergreifenden Ausbildung eingebunden werden. Perspektivisch könnte die stärkere Verankerung von Therapeuten in das Versorgungssystem jedoch mit einer besseren Vergütung verknüpft sein, wenn mehr zeitliche und personelle Kapazitäten verfügbar werden.

Neue Wege für die sektorübergreifende Versorgung

Für viele Therapeutinnen und Therapeuten dürfte interessant sein, dass im Koalitionsvertrag weiterhin die Rede von sogenannten sektorenunabhängigen Fallpauschalen – auch bekannt als Hybrid-DRGs – ist. Sie sollen eine Brücke schaffen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Diese Modelle könnten in Zukunft die Arbeit in einer Praxis aufwerten, indem die Schnittstelle zwischen Krankenhaus und ambulanter Weiterbehandlung reibungsloser gestaltet wird. So kann es beispielsweise dazu führen, dass Physiotherapeutinnen oder Logopäden schon während einer ambulanten Krankenhausbehandlung eingebunden werden, um nahtlos später in der niedergelassenen Praxis weiterzumachen.

Für unterversorgte Regionen sind Anreize wie Honorarsicherungen und Zuschläge geplant. Umgekehrt könnten in stark versorgten Gebieten Abschläge anfallen. Dies bedeutet für Praxen, die in ländlichen Räumen ansässig sind, eine potenzielle finanzielle Attraktivität. Allerdings sind die Details für diesen sogenannten Fairnessausgleich noch unklar.

Relevanz für Therapeutinnen und Therapeuten

Im Koalitionsvertrag werden zwar an vielen Stellen vor allem die ärztlichen Berufe angesprochen, doch die geplante Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung kann auch fürTherapeutinnen und Therapeuten entscheidend sein. Wenn Hausärztinnen und Hausärzte als Primärärztinnen und -ärzte die medizinische Lotsenfunktion übernehmen, wird es darauf ankommen, dass sie frühzeitig auf die Potenziale einer interdisziplinären Therapie verweisen. Gerade im Bereich der Physiotherapie gewinnt die frühzeitige Anbindung an Patientinnen und Patienten nach Operationen, bei chronischen Beschwerden oder zur Prävention an Bedeutung. In vielen Fällen kommen Ergotherapeutinnen oder Expertinnen und Experten aus der Logopädie hinzu, um etwa neurologische Störungen oder Sprachprobleme ganzheitlich zu behandeln.

Angehörige therapeutischer Berufsfelder könnten zudem von geplanten Telemedizin-Lösungen profitieren. Videogestützte Beratung oder digitale Überwachung von Therapiefortschritten lassen sich künftig noch besser implementieren, wenn telemedizinische Angebote flächendeckend gefördert werden. So ist davon auszugehen, dass auch Therapiepraxen ihre Behandlungskonzepte weiter digitalisieren und damit flexibler sowie attraktiver für Patientinnen und Patienten gestalten können.

Krankenhausreform: Konzentration und Finanzierung

Im Bereich der stationären Versorgung stehen Pläne an, die Krankenhauslandschaft zu konzentrieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Grund- und Notfallversorgung in ländlichen Regionen nicht leidet. Besonders relevant ist, dass der Gesetzgeber Projekte zur Energieeffizienz und Digitalisierung in Krankenhäusern fördern will. Das könnte sowohl infrastrukturelle Neuerungen als auch moderne Behandlungskonzepte bedeuten. Wer eng mit Krankenhäusern zusammenarbeitet, könnte perspektivisch eine reibungslosere Überleitung der Patientinnen und Patienten in die ambulante Weiterbehandlung nutzen.

Finanzielle Hilfen sollen dabei aus einem Sondervermögen fließen, was unter anderem „Sofort-Transformationskosten“ abdecken soll. Auch über die Verlängerung der Investitionsförderung wird diskutiert, damit mehr Kliniken sicherstellen können, dass ihre Ausstattung und Struktur auf aktuellem Stand bleiben. Ob und wie Therapiepraxen mit stationären Einrichtungen auf Basis dieser Projekte kollaborieren, hängt von konkreten Kooperationsverträgen vor Ort ab. In vielen Regionen werden Physiotherapeutinnen, Ergotherapeuten und Logopäden jedoch bereits als wichtiger Teil des Entlassmanagements integriert. Daher dürfte eine gut ausgestattete Klinik nicht nur medizinisch, sondern auch therapeutisch ein Gewinn sein.

Finanzierung von GKV und Pflegeversicherung

Es ist kein Geheimnis, dass die Sozialkassen unter Kostendruck stehen. Der Koalitionsvertrag sieht daher vor, die Ausgaben mit strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, die Beiträge „langfristig stabil“ zu halten, ohne massive Einschnitte im Leistungsangebot hinnehmen zu müssen. Wie die finanzielle Beteiligung des Bundes konkret ausgestaltet wird – etwa bei der Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Pflegeversicherung –, ist noch offen.

Von Seiten des Koalitionsvertrags werden Kommissionen eingesetzt, die sich bis 2027 mit konkreten Maßnahmen zur Finanzierungsfrage befassen sollen. Für den therapeutischen Sektor dürfte wesentlich sein, dass auch versicherungsfremde Leistungen explizit angesprochen werden. Bleibt es bei den Plänen, könnten mancherorts mehr Mittel in Behandlungsangebote fließen, wenn die Kassen im Versorgungsalltag wieder mehr Spielraum bekommen.

Ausblick: Chancen und Herausforderungen für die Praxis

Die angekündigten Reformen bergen reichlich Potenzial für Veränderungen – sowohl in ärztlichen als auch therapeutischen Bereichen. Wer eine Praxis führt oder plant, könnte von mehr Aufträgen profitieren, wenn bestimmte Leistungen stärker vergütet und administrative Hürden vereinfacht werden. Auch interdisziplinäre Verträge zwischen Hausarztpraxen und Physiotherapieanbietern können bei einer Umsetzung der neuen Pläne an Bedeutung gewinnen.

Dennoch bleibt abzuwarten, wie schnell und konsequent die Neuerungen greifen. Vieles ist an konkrete Finanzierungszusagen geknüpft, und die Erfahrung zeigt, dass umfangreiche Reformen Zeit benötigen und häufig noch nachjustiert werden müssen. Es lohnt sich für Therapeutinnen und Therapeuten, die Entwicklungen im Auge zu behalten und sich aktiv in regionale Netzwerke einzubringen. Denn wenn ein Primärarztsystem und sektorenübergreifende Fallpauschalen kommen, eröffnen sich für die Physiotherapie, Logopädie und andere therapeutische Disziplinen neue Perspektiven, um ihren Stellenwert in der Gesundheitslandschaft zu festigen.

Darüber hinaus könnte die verstärkte Einbindung digitaler Angebote ein entscheidender Faktor werden. Bereits jetzt existieren Plattformen, die telemedizinische Konsultationen anbieten und zunehmend erkannt wird, wie sehr digitale Therapiebegleitung den Erfolg steigern kann. Gerade für Patientinnen und Patienten, die weit entfernt von einer Praxis wohnen, bringt dies enorme Erleichterungen. Ob telefonische Krankschreibung oder Online-Videobesuche: Vernetzte Lösungen werden das Potenzial haben, das traditionelle Bild von Therapie nachhaltig zu verändern.

Fazit

Der neue Koalitionsvertrag gibt den Rahmen vor, wie das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren gestaltet werden soll. Mehr Interdisziplinarität, eine gerechtere Verteilung der ärztlichen und therapeutischen Ressourcen sowie eine zukunftsfähige Finanzierung bilden das Fundament der geplanten Reformen. Für Therapeutinnen und Therapeuten ergeben sich Chancen, frühzeitiger und gezielter eingebunden zu werden. Gleichzeitig bleibt viel Raum für Ausgestaltung, insbesondere wenn es um konkrete Vergütungsanpassungen, Investitionsförderung und digitale Angebote geht. Es lohnt sich, die Entwicklungen genau zu verfolgen und die eigene Praxis an die neuen Anforderungen anzupassen. So wird gewährleistet, dass sich alle beteiligten Gesundheitsberufe optimal miteinander vernetzen und für Patientinnen und Patienten eine hochwertige Versorgung sicherstellen können.


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