Gesetzesänderungen gefährden Klinikpraxen und verschlechtern Therapie Ausbildung und Versorgung in ländlichen Regionen


Klinikpraxen und Schulen für Physiotherapie, Ergotherapie sowie andere therapeutische Ausbildungen fordern derzeit eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme an den neuen Blankoverordnungen ermöglichen soll. Die Hoffnung ist, dass eine zeitnahe Nachbesserung verhindert, dass Patienten, Auszubildende und etablierte Fachkräfte in ländlichen Regionen unnötige Nachteile erleiden. Es besteht Unmut darüber, dass lediglich ambulante Praxen von den neuen Verordnungen profitieren, während klinikgebundene Einrichtungen bislang außen vor bleiben.

Die Idee hinter den Blankoverordnungen

Mit den sogenannten Blankoverordnungen wollte der Gesetzgeber die Position von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden im Gesundheitswesen stärken. Ärztinnen und Ärzte stellen in diesem Modell zwar eine Diagnose, legen jedoch nur noch grobe Eckdaten fest. Die genaue Auswahl der Therapieformen, die Anzahl der Termine und die Terminabfolge entscheiden die jeweiligen Fachkräfte direkt in ihrer Praxis. Dieses Vorgehen eröffnet verbesserte Spielräume bei der Gestaltung der Behandlung und erlaubt eine passgenaue Anpassung an die Bedürfnisse der Patienten.

Vor allem im modern ausgerichteten Praxisalltag ist die Blankoverordnung ein Fortschritt. Die Diagnostik in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten bleibt weiterhin essenziell, doch die Steuerung der Therapie verbleibt in den professionellen Händen der Therapeuten. Wenn zum Beispiel bei Schulterbeschwerden eine Mischung aus Physiotherapie und ergänzenden Ergo-Übungen sinnvoll ist, können die Fachkräfte die Therapie flexibel strukturieren und die Häufigkeit der Behandlungen selbst justieren. Genau das macht die Blankoverordnung so attraktiv: Sie stärkt den therapeutischen Blick in Praxis und Klinik und erlaubt eine individualisierte Therapie.

Herausforderung durch den Ausschluss von Klinikpraxen

Obwohl die neue Regelung gerade aus Sicht vieler Physiotherapeuten einen wichtigen Schritt in Richtung selbstbestimmten Arbeitens darstellt, sehen sich Klinikpraxen sowie Reha-Einrichtungen ausgeschlossen. Der Gesetzestext wird dahingehend interpretiert, dass die Blankoverordnung nur in rein ambulanten Praxen greift. Was auf den ersten Blick wie eine kleine Einschränkung wirkt, hat in der Realität weitreichende Konsequenzen.

Derzeit können ambulant angebundene Klinikpraxen keine Patienten mit Blankoverordnungen behandeln. Das bedeutet, dass einzelne Regionen, in denen es kaum niedergelassene Praxen gibt, von dieser fortschrittlichen Form der Verordnung ausgeschlossen sind. Nach einer stationären Behandlung im Krankenhaus müssten Patienten daher bei Bedarf in eine andere Praxis wechseln, um die Vorteile einer Blankoverordnung zu nutzen. Dadurch steigen Wartezeiten, und im schlechtesten Fall werden dringend benötigte Behandlungen verzögert oder gar nicht realisiert.

Angesichts des demografischen Wandels und der gleichzeitig wachsenden Zahl an Patientinnen und Patienten rückt die Versorgung in ländlichen Gebieten immer stärker in den Fokus. Klinikpraxen sind hier oft ein zentraler Pfeiler, um Menschen, die nur eingeschränkt mobil sind, eine angemessene Therapie anzubieten. Der Ausschluss von Blankoverordnungen führt so zu einer doppelt ungünstigen Lage: Das enorme Potenzial, das in diesen Praxen steckt, bleibt ungenutzt, während die medizinische Versorgungslage ohnehin in vielen Regionen als angespannt gilt.

Auswirkungen auf Ausbildung und Personal

Neben den unmittelbaren Konsequenzen für Patienten wirft die Ausgrenzung der Klinikpraxen auch Fragen für die Fachausbildung auf. Zahlreiche Schulen für Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie sind eng an Krankenhäuser angebunden. Junge Fachkräfte in Ausbildung lernen hier zum Beispiel den praktischen Alltag in einer Klinik kennen und machen wichtige Praxiserfahrungen. Sie werden auf das Arbeiten unter realen Bedingungen vorbereitet, wo Patientenkontakt und interdisziplinäre Zusammenarbeit einen hohen Stellenwert haben.

Wenn künftige Therapeuten in einer klinikbasierten Praxis nicht mehr die Möglichkeit haben, Blankoverordnungen zu bearbeiten, könnte dies die Qualität der Ausbildung beeinflussen. Immerhin gehört der Umgang mit neuen Verordnungsformen zum modernen Berufsalltag. Gerade der Umstand, eigenverantwortlich zu entscheiden, wie viele Einheiten ein Patient benötigt und welchen Schwerpunkt eine Therapie erhält, ist ein wesentlicher Bestandteil der heutigen Berufspraxis. Eine eingeschränkte oder überhaupt nicht vorhandene Praxisanwendung in Klinikabteilungen könnte zu einer Lücke in der Ausbildung junger Fachkräfte führen.

Darüber hinaus befürchten einige Klinikleitungen, dass der Ausschluss von Blankoverordnungen zu wirtschaftlichen Einbußen führt. Wenn ambulante Patienten die Klinikpraxen seltener aufsuchen, bedeutet dies ein geringeres Aufkommen an Behandlungen. Diese Entwicklung hat nicht nur Folgen für die Qualitätssicherung, sondern auch für die mögliche Sicherung von Arbeitsplätzen. In ländlichen Gegenden ist ausreichendes Personal für Physiotherapie und Ergotherapie ohnehin knapp. Werden hier die Möglichkeiten beschnitten, sind die Einrichtungen nur schwer konkurrenzfähig.

Versorgungslücken in ländlichen Regionen

Ein wichtiger Grund für die Empörung in vielen Einrichtungen ist die räumliche Unterversorgung in bestimmten Landkreisen. Häufig stehen Patientinnen und Patienten lediglich vor einer Handvoll Praxen, die zum Teil über Monate hinweg ausgebucht sind. Gerade dann könnten Klinikpraxen als zusätzlicher Anbieter wichtig sein, um die Versorgung kurzfristig zu gewährleisten.

Falls Menschen wegen Beschwerden an Schulter- oder Kniegelenken dringend physiotherapeutische Hilfe benötigen, sollte die nächste Praxis möglichst nicht stundenlange Fahrt entfernt sein. Dass ambulante Klinikpraxen hier als Anlaufstelle entfallen, verfolgen viele Therapeuten mit Sorge. Auch Logopäden sind in diesem Zusammenhang relevant, insbesondere wenn Patienten nach einem Schlaganfall oder bei Sprachstörungen eine Therapie benötigen, die eng an eine Klinikbehandlung anknüpft. Ohne die Möglichkeit zur Blankoverordnung verschenken Klinikpraxen wertvolles Potenzial, die Versorgung nahtlos fortzusetzen.

Berufsfreiheit und rechtliche Aspekte

Die Kritik richtet sich unter anderem an die Frage, ob der Ausschluss von Klinikpraxen mit Artikel 12 des Grundgesetzes vereinbar ist. Manche Therapeuten argumentieren, dass hier ein „Eingriff in die Berufsfreiheit“ vorliegt, da die Entfaltung der Berufsausübung eingeschränkt wird, ohne dass ein sachlicher Grund erkennbar sei. Für viele Betroffene ist unverständlich, weshalb die Blankoverordnung in ambulanten Praxen einen großen Schritt nach vorn bedeuten soll, während diejenigen, die im Klinikverbund arbeiten, völlig ausgeschlossen bleiben.

Dabei ist ganz offensichtlich, dass Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen den gleichen Prüf- und Qualitätsstandards unterliegen wie andere Praxen auch. Fachliche Gründe, warum eine Klinikpraxis nicht in der Lage sein sollte, flexibel über Behandlungen zu entscheiden, sind in den Augen der Beschwerdeführer nicht erkennbar.

Forderungen aus der Branche

Klinikbetreiber, Berufsverbände und Schulen für Physiotherapie sowie Ergotherapie setzen sich deshalb für eine zeitnahe Nachbesserung ein. Mehrere Protestschreiben, unterzeichnet von Therapeuten unterschiedlichster Einrichtungen, sind an offizielle Stellen gerichtet worden. Ziel ist es, dass Klinikpraxen ebenso die Möglichkeit erhalten, Blankoverordnungen anzunehmen und zu bearbeiten.

Dass eine Reform der aktuellen Regelung machbar sein sollte, zeigt die Sichtweise verschiedener Verbände. Auch die gesetzlichen Krankenkassen betonen, dass nur eine Anpassung auf gesetzlicher Ebene nötig wäre. Niemand wolle der neuen Form der Verordnung Steine in den Weg legen; im Gegenteil. In Zeiten knapper Kapazitäten dürfte jede Einrichtung gebraucht werden, die Patienten qualifiziert behandeln kann.

Mögliche Chancen für Physiotherapie und Logopädie

Würde der Gesetzgeber den Klinikpraxen grünes Licht geben, könnten sich daraus zahlreiche Vorteile ergeben. Zunächst ließen sich Versorgungslücken in ländlichen Gebieten geringer halten. Sind die Klinikpraxen nicht mehr ausgeschlossen, könnten Patienten nahtlos von der stationären in die ambulante Physiotherapie wechseln. Eine gleichbleibende Behandlungskette verhindert Informationsverluste und ermöglicht ein enges Zusammenspiel verschiedener Fachbereiche.

Für die Ausbildung des Nachwuchses wäre es ebenfalls wertvoll, den Umgang mit Blankoverordnungen in der Klinik zu erlernen. Wenn angehende Therapeuten von Anfang an erleben, wie sie eigenständig und flexibel Behandlungseinheiten festlegen, sind sie nach ihrer Ausbildung noch besser auf den Alltag vorbereitet. Ob Logopäde, Physiotherapeut oder Ergotherapeut: Alle profitieren davon, wenn Theorie und Praxis reibungslos ineinandergreifen.

Ausblick

In den kommenden Monaten ist entscheidend, wie schnell die Politik, Verbände und Krankenkassen zu einer Lösung finden. Fest steht, dass die aktuelle Regelung nicht nur einzelne Kliniken trifft, sondern eine große Anzahl potenzieller Patienten im ländlichen Bereich. Physiotherapeuten aller Bereiche, Logopäden und Ergotherapeuten, die in einer Klinik-Praxis tätig sind, sehen die Verschärfung der bereits angespannten Gesundheitssituation durchaus kritisch.

Sollte es gelingen, die Rechtslage zu klären und Klinikpraxen auf Augenhöhe mit ambulanten Praxen zu bringen, dürfte die Blankoverordnung tatsächlich zu einem Meilenstein in der Therapie werden. Bis dahin bleibt die Hoffnung, dass alle Beteiligten den Mehrwert dieses Modells anerkennen und den Ausschluss dringend revidieren, damit Patienten in allen Regionen gleichermaßen Zugang zu hochwertigen Behandlungen haben und angehende Fachkräfte optimal ausgebildet werden.


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